Ortsbürgerrecht

Von Bürgersein und Bürgernutzen

Das Ortsbürgerrecht verlieh früher den Anspruch auf die Teilhabe am Nutzen der Ortsbürgergüter und auf Unterstützung armengenössiger Ortsbürgerinnen und Ortsbürger durch die Heimatgemeinde. Den Erwerb des Bürgerrechts regelte der Kanton Aargau in Gesetzen von 1804 und 1824; über Neuaufnahmen entschieden die Ortsbürgergemeinden. Die Zofinger Ortsbürgergemeinde zählte zu den wohlhabendsten des Kantons, und der Einkauf ins Bürgerrecht war den materiellen Vorteilen entsprechend teuer (Ende 1841 belief sich das Totalvermögen der Zofinger Ortsbürgergemeinde auf über 2 Mio. Franken).

Das so genannte «allgemeine Ortsbürgergut» bestand aus umfangreichem Waldbesitz, Liegenschaften, Kulturland und Kapitalien; zweckgebunden waren Schulfonds und diverse Armengüter. Der Wald spielte in der Ökonomie Zofingens eine herausragende Rolle: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besass die Ortsbürgergemeinde rund 14 km2 Wald. Die Waldwirtschaft deckte einen Teil der regulären Gemeindeausgaben. Ortsbürgerlichen Haushaltungen standen Brenn- und Bauholz als Bestandteil ihres Bürgernutzens zur Verfügung, sie konnten den Gegenwert aber auch in bar beziehen. Die Holzgabe trug wesentlich zur Existenz- und Wohlstandssicherung der Bürgerschaft bei. Die Abgabe von Pflanzparzellen (Reuten und Bündten) zur Selbstversorgung gehörte ebenso zum Bürgernutzen wie Wein aus dem Rathauskeller.

Quelle: Band 3 VZG

Entstehung

Im Mittelalter hing das Ortsbürgerrecht mit dem Besitz eines Hauses in der Stadt zusammen. Wer also hinter den sichern Mauern ein Haus besass und die Bürgersteuer bezahlte, war Ortsbürger.

Vom Bürgerrecht und Hausbesitz ist schon in einer Urkunde vom 11. April 1280 die Rede, in welcher Graf Hartmann von Frohburg dem Kloster St. Urban in Zofingen einen Platz anwies zum Bau eines Hauses, mit dem Versprechen, dass damit das Kloster das Bürgerrecht der Stadt besitze.

Leider sind die Ratsprotokolle vor dem Jahre 1544 nicht mehr vorhanden. Mann kann also das Einbürgerungsjahr der alten Zofinger Geschlechter, wie Bär, Blum, Bossard, Friderich, Gränicher, Gross, Haller, Hunziker, Hürsch, Lehmann, Oetliker, Ringier, Siegfried, Strähl, Suter, Sutermeister, Scheurmann, Täschler, Widmer, Wullschleger, Zimmerlin und Zimmerli nicht mehr bestimmen.

Nach den alten Ratsbüchern wurde von einem Bewerber um das Ortsbürgerrecht mindestens ein Jahr Einwohnerschaft verlangt. Der Gesuchsteller wurde also als «Hintersäss» in der Stadt «geduldet». Führte er sich während dieser Zeit tadellos auf, erfolgte dann die Aufnahme zum Ortsbürger. So wurde z.B. nach dem ersten Ratsmanual (d.h. Ratsprotokoll), angefangen «zinstag (Dienstag) nach Mauricij 1544»: Rudolf Frikart, ein Schuster, im Jahre 1554 zum Hintersäss und dann 1557 «um 5 Pfund Einkaufsgeld» zum Ortsbürger angenommen. Hans Sträll (Strähl) von «Pfeficon us lutzerner herrlichkeit (Herrschaft)», «soll Harnisch und Gwer (Bewaffnung) und einen Eimer (Feuereimer) haben, und 10 Gulden Einzugsgeld erlegen, worauf er am 8. April 1583 zum Bürger angenommen wurde», usw.

Die Zeitumstände brachten es mit sich, dass nach und nach dieses «Einzugs- oder Einkaufsgeld» erhöht werden musste. So beschlossen Schulheiss und Rat am 16. Mai 1575, die Einkaufssumme wie folgt festzusetzen: «wer aus bernischen Landen stammend zum Bürger aufgenommen werden will, soll 10 Pfund geben, ein anderer Eidgenosse 20 Pfund und ein Ausländer 40 Pfund». Allein schon 1584 wurde in den Ratssitzungen vom 23. April und 2. Mai eine Verdoppelung des Einkaufsgeldes zum Beschluss erhoben und dabei bestimmt, dass nur noch zweimal im Jahr: «um Sankt Johannestag und Weihnachten oder acht Tage vor- oder nachher, Bürgeraufnahmen stattfinden sollen», und «soll jeder Anwärter 2 ½ Gulden (wohl als Schreibgebühr) vorher erlegen, er werde angenommen oder nicht».

Nach dem Hausbuch von Stadtschreiber Gabriel Gross hat man im Jahre 1585 erstmals die neuen Bürger vor Rat und Bürgerschaft aufgenommen. Vorher wurden diese Aufnahmen durch den Kleinen Stadtrat vorgenommen, was aber «die Bürgerschaft nicht mehr leiden mochte»!

Am 19. Oktober 1818 erliessen «Bürgermeister und Kleiner Rat des Kantons Aargau» eine Verordnung in welcher folgendes bestimmt wurde:

  • § 1: Es soll für jede Ortsbürgerschaft ein Register errichtet werden, in welchem alle jetzt lebenden, sowohl in als ausserhalb der Gemeinde wohnhaften Ortsbürger jeden alters und Geschlechts, sowie in Zukunft alle Geburten, Ehe- und Sterbefälle der Ortsbürger, und alle neuangenommenen Ortsbürger eingetragen sind.
  • § 2: Die Ortsbürgerregister werden folgendermassen eingerichtet: Für jeden Hausvater und seine Familie wird eine eigene Seite bestimmt. Sowie sich ein Sohn verehelicht, erhält er eine eigene Seite im Register. Witwen mit Kindern werden auf die nämliche Weise, wie die Hausväter, eingetragen.

Dieses neuangelegte Bürgerregister dürfte den um die Zofinger Lokalgeschichte verdienten Dekan und Pfarrer J.J. Frikart (1769-1845) veranlasst haben, im Jahre 1827 ein erstes gedrucktes Ortsbürgerregister herauszugeben, welches unter dem Titel «Tobinium genealogicum» bekannt ist. Weitere Ortsbürgerregister folgten 1884 (Verfasser: Carl Schauenberg-Ott, Kaufmann), 1931 (Verfasser: Theodor Gränicher, Architekt, und Gustav Gross, Armenpfleger, 1962 (Verfasser: Fritz Schoder, Stadtbibliothekar) und 1990 (Verfasser: Hugo Eichenberger, Zivilstandsbeamter).